Mein Denken war immer, dass, sobald ich erwachsen bin, also ab 18 Jahren, ich reife Verhaltensweisen an den Tag lege.
Weit gefehlt.
Meinen Tiefpunkt im Zusammenleben mit einem Alkoholiker erreichte ich mit 40 Jahren, als mein Mann seinen Führerschein durch Alkohol verlor.
Ich ging in mein erstes Meeting und dort hörte ich dann etwa nach einem Jahr, dass es Merkmale gibt, die reifes Verhalten spiegeln.
Diese sind in dem Flyer „Alkoholismus eine Krankheit der ganzen Familie“ auf der Seite 24, nachzulesen.
Bevor ich zu Al-Anon fand, konnte ich Kritik nicht aushalten, fühlte mich immer und bei Allem persönlich gemeint, selbst wenn es um eine Sachkritik ging.
Ich fühlte mich als Opfer:
- als Opfer meiner Kindheit – ich hatte immer zu wenig bekommen, alle Anderen bekamen mehr Aufmerksamkeit und mehr Liebe;
- als Opfer meiner Ehe – einen Menschen zu heiraten, der nicht nur trank, nein er konnte nicht mal mit Geld umgehen;
- als Opfer von Vorgesetzten, die mich nie sahen, sondern immer nur auf meine laute Stimme schauten usw…
Ich regte mich über Alles immer sofort auf und wurde sehr laut, wenn es nicht nach meinen Willen ging.
Stets versuchte ich zu schauen, wohin die Richtung in einer Diskussion ging, um mich der stärkeren Gruppe anzuschließen. Wenn sich die Richtung änderte, schloss ich mich der anderen Gruppe an, war wie ein Fähnchen im Wind um nur ja immer den Anderen die Schuld geben zu können. Ich konnte mich nie einer Mehrheitsentscheidung beugen, sondern wollte, dass es nach meinem Kopf ging.
Sicherlich war ich auch immer nur im Morgen und überlegte mir Heute schon, wie wohl Gespräche und Treffen verlaufen würden, was ich sagen oder tun konnte. Ich machte mir Sorgen über und um alles.
Lob und Anerkennung konnte ich nicht aushalten, spielte diese herunter, äußerte, dass ein anderer einen viel größeren Anteil daran hätte oder Ähnliches. Über Niederlagen oder schlechte Ereignisse versuchte ich mich in ein besseres Licht zu rücken. Bei anderen sah ich immer nur das Schlechte und redete hinter ihrem Rücken.
So könnte ich noch von ganz vielen negativen Charaktereigenschaften von mir berichten, in denen sich für mich mein unreifes Verhalten spiegelt.
Nur sehe ich mich heute nicht mehr so. Durch viele Meetingbesuche, Dienste, die Beschäftigung mit mir selber und durch die Inventur im vierten Schritt, durfte ich endlich reifes Verhalten lernen.
Heute habe ich eine eigene Meinung, stehe für sie ein, selbst wenn ich als Einzige eine andere Meinung habe. In Al-Anon durfte ich erleben, es passiert nichts Schlimmes, wenn ich zu mir selbst stehe.
Jutta, eine Al-Anon
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“Alkoholismus – eine Krankheit der ganzen Familie” – Bestell-Nr. 221
Infos zur Literaturbestellung: http://www.al-anon.de/literatur
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Ein Kommentar
Danke für Deinen Beitrag, liebe Jutta!
Ich habe mich wiedererkannt, auch wie ich heute bin. Durch die Dienste habe ich sehr viel gelernt. Es ist für mich ein schönes Gefühl zurück zu blicken. Wie frei und einfach kann ich jetzt mit Situationen umgehen, die mich früher kaputt gemacht haben. Das Schöne ist aber, dass ich mich auf die Zukunft freuen kann und weiter lernen möchte und darf.