Zurüruck zum Inhalt

Was erwarte ich für mich von Al-Anon?

Foto, gestapelte flache SteineIch kam als Häufchen Elend hier an. Ich kam mit meinem Leben in alkoholkranken Familienstrukturen nicht mehr zurecht. Nach außen stand eine 1a-Fassade. Ich lächelte und scherzte meine Probleme weg. Und hasste mein Tun, weil innen und außen immer mehr auseinander gingen.
Ich fühlte mich wund und leer und stellte nach außen Lebensfreude zur Schau. Keiner sollte sehen wie es mir ging. Mitleid gibts umsonst. Neid muss man sich verdienen, so meine Denke damals. Vor etwas mehr als zwei Jahren.

Damals heulte ich fast jeden Abend. Rückblickend aber nicht um mich, sondern um meinen Mann, der sich damals sehr in Alkohol flüchtete und jeden Abend betrunken schlafen ging. Ich heulte um meine Partnerschaft. Nicht um mich. Ich sah das Problem nur bei meinem Mann, fühlte mich fremdbestimmt, als Opfer seiner Taten. Mir war überhaupt nicht bewusst, dass ich mich verloren hatte und an die Stelle einer Höheren Macht, auf die ich mich verlassen kann, einen alkoholkranken Menschen gestellt hatte, um den ich kreiste.

In diesem Zustand suchte ich auf den Internetseiten von A.A. nach Hilfe für meinen Mann… und fand einen Hinweis auf das Al-Anon Online-Meeting. Ich las den Hinweis und nutzte ihn volle 2 Monate nicht, stattdessen versuchte ich meinen Mann dazu zu bewegen sich Hilfe zu suchen.

Erst als ich dieses Ansinnen als gescheitert betrachten konnte, fiel ich ins Bodenlose und meldete mich in purer Verzweiflung und nackter Angst hier an. Ich hatte emotional nichts mehr zu verlieren. Ich hatte den Zugang zu meinen positiven Gefühlen fast völlig abgeschnitten, ich spielte sie nur noch und empfand stattdessen Angst, Schmerz und Wut. Wie die meisten erwartete ich von Al Anon das Rezept zur Trockenlegung meines Partners.

Es dauerte, bis ich begriff, dass ich dem Alkohol gegenüber machtlos bin und es dauerte noch eine ganze Weile länger, bis ich meine Machtlosigkeit in diesem Punkt wirklich annahm und aufhörte gegen die Krankheit meines Mannes zu kämpfen…meine bequeme Opferhaltung aufgab und bei mir anfing. Zunächst war da „Laß es bei mir beginnen“. Dieser Slogan sprach mich an, denn er gab mir die Hoffnung, dass ich unser Familiensystem zum Besseren verändern kann, wenn ich an mir arbeite und selbst zur Veränderung gelange.

Zuerst waren es Äußerlichkeiten, die ich veränderte. Ich baute z.B. ziemlich zu Beginn einen Spaziergang in meinen Tagesablauf ein, schaffte mir nach und nach eine Tagesstruktur, die mir gut tat mit kleinen Entspannungsinseln. Ich gab mir Selbstfürsorge und erlaubte mir, es mir gut gehen zu lassen, unabhängig davon wie mein Partner gerade drauf war.

Nach und nach lernt ich hier immer mehr auf mich zu schauen, mich anzunehmen mit allem was ich bin, mein Leben meinen Anlagen entsprechend auszurichten, die Fassade runter zu lassen, ehrlich zu mir und meinen Bedürfnissen zu stehen und mich unabhängiger von meinem Partner zu machen. Bei alledem bestätigen Ausnahmen die Regel.

Ich verfange mich immer wieder in meinen Automatismen, Prägungen, etc.. Aber ich lerne dazu mit jeder Ehrenrunde, die ich in der alten Struktur drehe und dann kommt der Tag, an dem es wieder ein Schrittchen weitergeht auf meinem Lebensweg mit meinem Lebensprogramm. Denn genau das ist Al-Anon inzwischen für mich: Wegweiser in allen Lebenslagen und Lebensversicherung in der Hinsicht, dass ich mir nicht nochmal die Verbindung zu mir selbst kappe.

Es lebt sich viel intensiver, entspannter und schöner außerhalb des Panikmodus und außerhalb der selbstauferlegten Perfektion und Pflichterfüllung. Ich fühle mich heute nicht immer aber immer öfter frei und selbstbestimmt.

Durch die Gnade meiner Höheren Macht darf ich Vertrauen in eine gute Zukunft haben, Frieden mit der Vergangenheit machen und im Hier und Jetzt zufrieden leben. Nichts geringeres ist die Erwartung, die ich an dieses Programm haben kann, wenn ich bereit bin mich völlig darauf einzulassen.

ein Al-Anon Mitglied

2 Kommentare

  1. Silke schrieb:

    Danke, für die Erinnerung. Der Satz: „Ich lächelte und scherzte meine Probleme weg“, beschreibt genau meine früheren Verdrängungsmechanismen. Ich durfte sie ablegen. Nach langer Zeit in der Gemeinschaft ist es nicht mehr notwendig, schön zu tun, wenn mir nicht danach ist. Auf diese Weise erkennbar zu sein, ist für mich besser als das ständig schlechte Schauspiel von früher.

    Montag, 29. Juni 2020 um 07 | Permalink
  2. Heike schrieb:

    Oh ja, wie gut kann auch ich es nochmal nachfühlen…ich heulte damals täglich auf der Fahrt zur Arbeit. Ich dachte, nach der Trennung wird alles gut. Aber es wurde schlimmer mit mir und dann erst fand ich Al-Anon. Wenn mich heute Situationen zu überwältigen drohen, gehe ich in mich…und mache einen Realitäts-Check…lasse es bei mir beginnen und ändere Dinge, die ich ändern kann. „Den Rest“ darf ich immer wieder in die Hände meiner Höheren Macht legen. Danke für deine hoffnungsvolle Geschichte!

    Mittwoch, 1. Juli 2020 um 12 | Permalink
Wir benutzen Cookies, um die Benutzungsfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.