Vertrauen in Heilung: Ein Weg mit Al-Anon
In vielen Meetings sind mir Menschen begegnet,
die in ihrer Verzweiflung jedes Vertrauen
in das Leben verloren hatten.
Ihre Geschichten erinnerten mich auch an meine eigene unheilvolle Phase der Familienkrankheit Alkoholismus.
Während dieser Zeit fühlte ich mich sehr oft wie entwurzelt.
Es war ein trostloses Gefühl, keinen Halt mehr zu haben.
Mein Mut, mein Vertrauen und meine Hoffnung – alles war wie verdorrt.
Die ersten Erfahrungen auf dem Weg mit Al-Anon ließen mich zunächst lediglich eine Art Geborgenheit in der Gemeinschaft wahrnehmen;
allzu viel verstanden habe ich nicht.
Aber nach einiger Zeit gab es in der Gruppe Freund(e)innen, durch die ich begriff, dass es gewisser Voraussetzungen zu meiner Genesung bedarf.
So durfte ich begreifen, dass Al-Anon ein Programm des Tuns ist.
Es setzt wohl theoretisches Wissen voraus, aber es ist hauptsächlich wichtig, danach zu leben.
Bereits bei dem ersten unser 12 Schritte durfte ich erkennen, dass „Machtlosigkeit“ nicht nur ein Wort ist, sondern im Umgang mit meiner Alkoholikerin praktische Konsequenzen hat.
Auch wenn ich mich mit meinem Willen noch so sehr gegen dieses „Schwachsein“ stemmte; so musste ich schließlich begreifen, dass ich nichts erzwingen kann und manche Dinge hinnehmen und eine innere Distanz dazu einnehmen muss.
Besonders der Gelassenheitsspruch öffnete mir hierzu das Verständnis.
In den Gesprächen erfuhr ich, dass sich mein Leben wieder entfaltet, sobald ich mein Vertrauen zurück gewinne.
Auch das war zunächst schwer zu begreifen. War doch insbesondere mein Vertrauen gegenüber meiner trinkenden Frau und meinem unverständigen Umfeld auf einem Nullpunkt angelangt.
An diesem Punkt musste ich erfahren, dass es ein entscheidender Unterschied ist, ob ich mein Vertrauen und meinen Lebensmut von Menschen abhängig mache oder ob ich mich eingebettet fühle ins Vertrauen in eine Höhere Macht.
Eine grundlegende Wende in meinem Leben war, durch Al-Anon zu begreifen, dass diese Höhere Macht als ein Teil meiner Selbst in mir lebt.
So konnte ich mich als ein Teil eines Ganzen wahrnehmen.
Damit veränderte sich meine Perspektive zum Leben entscheidend und ich betrachtete meine Situation aus einer neuen Sicht.
In einem Meeting sagte eine Al-Anon: „Meine Höhere Macht muss sich dabei etwas gedacht haben, mir einen Alkoholiker zur Seite zu geben.“ Dieses war für mich ein Schlüsselsatz über den ich intensiv nachdachte.
Mancher, bisher quälenden Frage konnte ich mich durch diesen Gedanken nähern und neue Antworten suchen.
War es vielleicht Absicht, mich durch tiefe Ratlosigkeit und innere Leere zu schicken um mich daran wachsen zu lassen?
Heilsam war für mich dabei eine Erfahrung, die ich in den Meetings gemacht hatte: bewusst zuzuhören.
Nun konnte ich auch mir selbst zuhören – in mich meditativ hineinhorchen.
Dabei begegnete ich mir selbst und konnte zunehmend meine Schwächen und Stärken betrachten, sie zugeben und sie annehmen.
Einen Neuanfang konnte ich auf diesem Wege auch zu meiner Umwelt und der Einstellung zu meiner Alkoholikerin machen.
Ich konnte loslassen und konnte Situationen, die ich nicht verursacht hatte, bewusst verlassen.
Dadurch bekam ich meine „Hände frei“ und konnte Neues anpacken.
Durch die Begegnung mit meiner Höheren Macht in mir, hatte ich das Empfinden, neu geworden zu sein.
Neu: gegründet in Sicherheit, geborgen in Wohlwollen, offen für das Schöne, bereit für das Schwere, stark für das Neue.
Mein bisheriger Weg mit Al-Anon hat mich gelehrt, dass ich mich einem großen Potenzial angeschlossen habe. Heil werden und heil bleiben kann ich nicht alleine.
Aber in einem Umfeld, in dem ich Vertrauen empfangen und weitergeben kann, wird es gelingen offen für den neuen Weg zu bleiben.
Hubert, Al-Anon