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Vergebung

Foto Bronzebild mit SegelbootNeun böse Jahre mit einer alkoholkranken Frau liegen hinter mir.

Im März 2013 bekannte sich meine Frau zu ihrer Alkoholkrankheit. Sie zeigte mir, wo sie überall Weinflaschen versteckt hatte. Unsere gemeinsame Reaktion war, eine Patientenverfügung aufzustellen, die mir (das vermeintliche) Recht gab, sie beim nächsten Absturz (Quartalstrinkerin) zur Entgiftung einweisen zu lassen.

Tatsächlich war es dann so, dass der Notarzt mir sagte: „Ich muss den Willen ihrer Frau akzeptieren wenn sie nein sagt. Auch wenn sie volltrunken ist. In Deutschland hat jeder das Recht sich tot zu saufen.“ Inzwischen ist meine Frau an ihrem durch den Alkohol befeuertem Krebsleiden verstorben.

Um ein Haar hätte sie mich mitgenommen. Zum Glück hatte ich einen Sohn, der mir eine SMS in die Psychiatrie schickte: KÜMMERE DICH UM DICH SELBST. DU KANNST IHR NICHT HELFEN!

Damit begann mein Weg des „Lebens und leben lassen“, der mich dann auch zu Al-Anon führte. Hier lernte ich auch zu vergeben. So konnte ich meine Frau zu Hause in ihrem eigenen Pflegezimmer bis zum letzten Atemzug begleiten. Ich aber lebte mein eigenes Leben in meiner Wohnung, auch als ich von „Freundinnen“ meiner Frau dafür angefeindet wurde. Und auch, wenn meine Frau unter Alkohol die Polizei rufen wollte, um den Zugang in meine Räumlichkeiten zu erzwingen. Acht Monate vor ihrem Tod wies sich meine Frau selbst zur Entgiftung ein. Nach zwei Wochen entließ sie sich dort auch wieder.

Nun begann eine ganz schwierige Zeit. Ich beantragte sogar Fremdbetreuung. Aber dann hatten wir – sicher auch unterstützt durch die Medikamente der palliativen Betreuung – noch fünf gemeinsame versöhnliche Monate ohne Alkohol und ich konnte das Trauerschreiben zu ihrem Tod so formulieren. Vergeben ist kein Gnadenakt für den Menschen, dem man verzeiht. Vielmehr hilft man damit sich selbst.

Dies habe ich in einer wunderbaren Selbsthilfegruppe, bei den Meetings und im Blog von Al-Anon gelernt. Gelernt habe ich auch, dass niemand das Recht hat, seine Mitmenschen zu verurteilen. Auf dieser Basis konnten B. und ich uns gegenseitig verzeihen. Wir haben wieder zusammengefunden. B. konnte die Dämonen ihrer Sucht, die infolge extremer beruflicher und familiärer Belastungen vor einem Jahrzehnt Macht über sie gewonnen hatten, überwinden. Leider blieben uns nur fünf Monate Zeit. Zeit für ehrliche Gespräche, für offene Worte, für versöhnliche Gesten, fünf geschenkte Monate, um miteinander ins Reine zu kommen. So konnte B. in Würde und Geborgenheit die letzte Strecke ihres Lebensweges gehen. Große Dankbarkeit erfüllt mich, wenn ich an das denke, was Al-Anon mir gegeben hat und immer noch gibt. Denn auch nach dem Tod meiner Frau bin ich ein Mitglied bei Al-Anon und schöpfe Kraft aus den Meetings und allem, was Al-Anon bietet.

Mein Name ist Christoph S.

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