
Ich spionierte ihm nach und auch in seinen Unterlagen und musste mit Erschrecken feststellen, dass er sich seine Kneipengänge durch Kredite finanzierte.Die Wochenenden verliefen immer gleich: Ich wollte reden – ich musste reden – ich forderte ihn auf mit mir zu reden – irgendetwas in mir sagte – ich muss was klären! Aber WAS? Es wurde nichts geklärt. Ich weinte und wollte ein nettes Wort von ihm – eine liebevolle Geste haben – es kam nichts. Ich weinte, ich brüllte, ich tobte, ich war so verzweifelt. Er sagte mir nur, so würde ich bei ihm nichts erreichen, er ließe sich nicht erpressen. Jedes Wochenende das gleiche Spiel, bestimmt über 10 lange Jahre.
Ihm gefiel das gar nicht und das Schweigen ging weiter. Wir waren wieder ins Vereinsheim eingeladen und jeder sollte etwas zu essen mitbringen. Er verbrachte den ganzen Tag im Keller, um etwas zuzubereiten. Am späten Nachmittag fuhren wir los. Es war auch der Tag an dem das Meeting stattfand. Während des Treffens entschuldigte ich mich bei den Anwesenden des Vereinsheims und ging zu meinem 2. Al-Anon Meeting. Als ich nach ca. 2 Stunden wiederkam, fragte er mich, wo ich war. Ich sagte: Bei Al-Anon. Er: Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen können! Ich: Wieso, du sprichst doch nicht mit mir!
Als wir an diesem Abend nach Hause kamen ereignete sich folgendes: Wir gingen durch den Keller ins Haus, er ging voran und als er eintrat stieß er mit dem Fuß gegen eine v o l l e Gießkanne. Er schimpfte und zeterte und war mit beleidigenden Worten nicht sparsam. Ich holte schnell Handtücher, um das Malheur zu beheben. Während des Aufwischens fragte ich mich, warum wische ich eigentlich das Wasser auf, er ist doch dagegen gekommen? Hm, es ließ mir keine Ruhe.
Am nächsten Morgen ging ich in die Badewanne und wieder dachte ich über den gestrigen Zwischenfall nach. Er hatte sich einen Kaffee gemacht und ging am Bad vorbei. Auf einmal hatte ich einen Geistesblitz. Ich rief ihm zu: Warte mal! (Sprang aus der Wanne) Du – gestern im Keller – das mit der Gießkanne, du warst doch den ganzen Tag im Keller und wieso hast du so getan als hätte i c h die Gießkanne dorthin gestellt? – Ich weiß nicht mehr was er gesagt hat, aber es müssen Worte gewesen sein, die mich hart getroffen haben, denn auf einmal fing ich an auf ihn einzuschlagen. Die ganzen 34 Jahre Ehe gingen vor meinem inneren Auge vorbei und alle Demütigungen, Kränkungen, Verletzungen, ob verbal , körperlich oder seelisch, alle Verzweiflungen , alles wollte raus. Ich war wie von Sinnen. Bärenkräfte tobten in mir. Ich schlug auf ihn ein. Ich hatte wahrlich einen Blackout. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle hatte.
Jetzt wusste ich, so geht’s nicht weiter. Er musste ausziehen.
Bei Al-Anon habe ich dann gemerkt, dass auch ich etwas wert bin. Ich bin so dankbar dafür. Seitdem sind etwa 5 Jahre vergangen. Meine erste Gruppe hat sich leider nach ca. 2 ½ Jahren aufgelöst und ich war der Meinung, ich weiß jetzt alles, ich brauche kein Meeting mehr, aber das war ein Irrtum. Eine A.A. Freundin sagte mir,“Ich glaube du brauchst ein Meeting!“ – Lange habe ich gezögert – wo soll ich hin? 30 Kilometer weit fahren?-
Ja, heute fahre ich einmal die Woche 30 km bis zu meiner Stammgruppe und ich bin froh darüber, dankbar und ich merke, wie sehr Al-Anon wirkt.
Ich habe mich verändert. Mein ganzes Leben hat sich verändert. Ich will nie wieder in die alte Welt zurück!
Danke Al-Anon,
danke Gott!