
Will ich erzählen warum ich wiederkam, muss ich zuerst berichten, wie ich zu
Al-Anon kam:
Ich ging das erste Mal zu Al-Anon weil ich Ratschläge und Hilfestellung haben wollte als Angehörige eines Alkoholikers. Mein Mann trank schon seit seiner Jugend. Ich hatte geglaubt, dass eine glückliche Ehe ihn sicherlich heilen würde.
Im Rheinland, wo wir aufgewachsen waren, gibt es eine starke Bier- und Kneipenkultur. Viel trinken ist normal. Mein Mann war ein Trinker, der in fröhlicher Jägerrunde trank, jedoch in späteren Jahren zunehmend zuhause und das jeden Abend. Er ist nie aggressiv oder gewalttätig gewesen, aber doch desinteressiert am Familienleben und sehr in sich verschlossen. Er machte beruflich Karriere, und wenn ich mich wegen des Alkoholkonsums im Familien- oder Freundeskreis beklagte, stieß ich auf wenig Verständnis, sondern erhielt als Antwort: „Jetzt gönne ihm doch die paar Bierchen am Abend zum Entspannen …“
Ich aber fühlte mich gefangen in dieser unbefriedigenden Ehe, hatte mir unter Familienleben etwas anderes vorgestellt und wollte ihn ändern . So kam ich zu Al-Anon.
Warum ich wiederkam: Ehrlichkeit und Verständnis
Zuerst stieß ich hier das erste Mal auf Menschen, denen ich die volle Misere unserer Situation erzählen konnte, die zuhörten und es verstanden. Da wurde das Problem weder abgeschwächt noch mir geraten, mich zu trennen.
Ich hörte dort zum ersten Mal, dass Alkoholismus eine Familienkrankheit ist und ich sehr wohl in deren Gesamtzusammenhang auch eine Rolle spiele – außer der des Anklägers. Es gab keine Schuldzuweisung, sondern mir wurde aus den persönlichen Erfahrungsberichten klar, wie hoch mein eigener Anteil an der Situation war. Also konnte ich auch etwas ändern, nämlich mich!!
Diese Ehrlichkeit und das Verständnis der anderen Al-Anon Freunde hat mich zutiefst berührt. Wo traf ich sonst in meinem Leben Menschen, die so offen über ihre Probleme sprachen. Die nicht alle Energie darauf verwandten, eine Fassade hochzuhalten, sondern ihre Energie dazu benutzten, die Mauern ihrer Zwänge einzureißen, dunkle Ecken ihrer Seele auszuleuchten, – kurz, sich um Wahrhaftigkeit bemühten.
Diese schonungslose Selbstanalyse beeindruckte mich sehr. Jeder erzählte die Geschichte seines Lebens, wie sie war. Diese Lebensgeschichten waren mir Schock und Trost zugleich – da war von Gewalt und tiefster Verzweiflung bis Selbstmord die Rede, vom Partner, vom Arbeitsplatz. Dinge, die ich nie so heftig erlebt hatte. Aber diese Menschen hatten sich aus diesen extremen Situationen mithilfe von Al-Anon und den Zwölf Schritten wieder hochgerappelt und saßen als absolut sympathische und beneidenswerte Menschen vor mir.
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