Zurüruck zum Inhalt

Mein Weg in Al-Anon

FotoAls ich zu Al-Anon kam, wollte ich – wie viele vor und nach mir – ein Rezept, wie ich meinen Mann „trocken legen“ konnte.

Ich war voller Wut und Verzweiflung und kannte nur ein „Entweder – Oder“ und ich war voller Verwirrung, weil ich diesen Mann doch liebte und vorm Altar geschworen hatte: „In guten wie in schlechten Zeiten!“

Bei Al-Anon hörte ich Dinge wie: „Wenn Du nicht weißt, was Du tun sollst, tue erst mal gar nichts “ und „Triff in den ersten sechs Monaten bei Al-Anon keine Entscheidung“!

Es dauerte, bis mir klar wurde, dass es hier nicht um meinen Mann, sondern um mich ging, um meine Sucht, um meine Krankheit. Und dass ich, ohne diese Sucht zu erkennen und zu gesunden, mir mit ziemlicher Sicherheit immer wieder die gleichen Partner suchen würde, dass ich vor mir selbst nicht davonlaufen konnte.

Es hat etliche Jahre gedauert, bis ich zu einer Entscheidung bereit war, ich musste das ganze Elend der Alkoholkrankheit durchleben mit allen Hoffnungen in Form von Trinkpausen und Therapien, manchmal sogar ein Jahr, Abstürzen in Form von Rückfällen und bei dieser Berg- und Talfahrt stürzte ich oft tiefer als er.

Ich habe gekämpft wie eine Löwin, habe mir die Nägel blutig gekratzt an dieser Mauer bis ich endlich den ersten Schritt gehen und kapitulieren konnte. Und auch dann gab es immer mal wieder Rückfälle in mein altes Verhalten, in die Hoffnung, doch nicht machtlos zu sein, wenn er mich liebte, müsste er doch….ich vergaß immer wieder, dass es eine Krankheit ist, dass er nicht aufhören konnte.

Irgendwann sagte mir meine Therapeutin einmal: „Dein Mann hat das Recht, sich zu Tode zu trinken, es ist sein Leben und Du hast es zu respektieren..“

Und irgendwann respektierte ich das. Aber ich merkte auch, dass ich es nicht schaffte, in seiner Nähe zu genesen und ich trennte mich – auch das ein letzter Versuch, ihn zu manipulieren und zum Wachwerden zu bringen.

Diese Trennung war sehr, sehr schmerzhaft, als ob ich jede Faser meines Herzens einzeln lösen musste, aber in der Distanz konnten wir nach einiger Zeit auch unsere liebevollen Gefühle füreinander wieder zulassen.

Die Distanz schützte uns beide – deshalb erinnert mich die momentane Situation ( Corona Pandemie) auch sehr daran, dass Abstand durchaus positiv sein kann…

Ich liebte ihn, aber ich konnte ihn nicht retten und ich war, ehrlich gesagt, auch oft neidisch auf die Paare, die es miteinander schafften.

Al-Anon und die Erkenntnis, dass es um mich und mein Leben geht, hat mich in all den Jahren gerettet und ich bin froh, dass es Al-Anon gibt

Dorothee

2 Kommentare

  1. Silke schrieb:

    Danke Dorothee für diesen Beitrag. Der Satz über das Recht des Alkoholikers sich zu Tode zu trinken, hat mich wieder an etwas erinnert. Ich saß vor fast 30 Jahren voller Schuld, Selbst- und Fremdvorwürfen in der Klinik meines am Tag zuvor verstorbenen Ehemannes. Der recht junge Stationsarzt hatte offenbar Ahnung von der Familienkrankheit, denn sagte mir etwa das Selbe. Als ich die Klinik verließ, war ich noch lange nicht bereit für Al-Anon, doch ich hatte, ohne ihn zu kennen, einen Teil des Ersten Schrittes verstanden. Ich war machtlos gegenüber der Krankheit Alkoholismus und nicht Schuld daran. Was eine Erleichterung.

    Sonntag, 17. Mai 2020 um 18 | Permalink
  2. Heike schrieb:

    Danke Dorothee! Wie gut kenne ich das, „dass ich es nicht schaffte, in seiner Nähe zu genesen“…ich schaffte es auch nicht, in der Nähe von weiteren suchtkranken Familienangehörigen zu genesen, oder überhaupt wirklich zu leben. Ich brauchte von diesen Lieben Abstand – auch räumlich. Ein langer Weg, doch mit unserem Programm kann ich heute ein autonomeres Leben führen. Heute freue ich mich über Nähe zu meinen Lieben, auch wenn diese in der momentanen Pandemie fehlt, und freue mich auch, wenn wir wieder unserer eigenen Wege gehen.

    Dienstag, 19. Mai 2020 um 21 | Permalink
Wir benutzen Cookies, um die Benutzungsfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.