Es ist eine ganze Zeit her, dass ich mein erstes Al-Anon Meeting besuchte, und doch erscheint es mir, als wäre es gestern gewesen, wenn ich daran denke.
In der Zeit davor ging es mir immer schlechter und dennoch versuchte ich immer noch, das zu tun, was ich immer getan hatte, wenn es mir schlecht ging in meinem Leben:
-Durchhalten,
-Zähne zusammen beißen
-und bloß nicht darüber reden.
Ich glaubte einfach noch nicht daran, dass andere Menschen mir bei meinen Problemen helfen konnten. Wie sollten sie verstehen, wie schlecht ich mich wirklich fühlte?
Das Meeting, das ich fand war eines für Erwachsene Kinder aus einer alkoholkranken Familie.
Das suchte ich nicht aus, sondern es war das einzige, das in meinen Terminplan passte.
Ich dachte, ich hätte da nichts zu suchen, denn ich suchte ein Meeting, weil mein Bruder Alkoholiker war.
Zu meinem Erstaunen nahm man mich trotzdem auf.
Meine vorbereiteten Erklärungen und Entschuldigungen, dass ich im „falschen“ Meeting saß, brauchte ich gar nicht! Ich wurde nichts gefragt! Ich musste nichts sagen! Ich durfte einfach dabei sein und zuhören.
Und was ich hörte, verschlug mir den Atem.
Die Leute dort berichteten von Gefühlen und Erlebnissen, die bisher nur ich so kannte und niemand sonst.
Sie sprachen mir quasi aus dem Herzen, sie sprachen von mir, ohne mich zu kennen.
Wie konnte das sein?
Im Laufe vieler Meetings habe ich gelernt, dass viele Erwachsene, die als Kinder oder Jugendliche mit dem problematischen Trinken von Erwachsenen in der persönlichen engen Umgebung konfrontiert waren, Gefühle und Probleme haben, wie ich sie habe.
Ich konnte langsam akzeptieren, dass ich sehr wohl zu den Erwachsenen Kindern zähle, da auch mein Vater Alkoholiker war.
Und dass dies sehr starke Auswirkungen auf mein Leben hatte, obwohl er schon viele Jahre, bevor ich „Mein erstes Mal“ in Al-Anon hatte, starb.
Oft habe ich mich gefragt, was so anziehend war beim „ersten Mal“, beim ersten Al-Anon Meeting, dass ich immer wieder hinging und dass es mir damit immer besser ging.
Mittlerweile fallen mir sehr viele Gründe hierfür ein :
- Die wunderbare, liebevolle, respektvolle, aufrichtige, friedliche Atmosphäre der Meetings.
- Die interessanten und liebenswürdigen Menschen, die ich kennenlerne.
- Die Erfahrung, mir selbst helfen zu können.
- Die tollen Texte, die Al-Anon bereit hält.
- Die Botschaft der Hoffnung angesichts großer Verzweiflung.
- Dass jedes Meeting mich verändert, jedes! Nicht unbedingt so, wie ich es mir wünsche, jedoch immer so, dass ich persönlich weiterkomme.
- Die Geduld und Zuwendung, die andere Menschen im Meeting mir vorgelebt und geschenkt haben, wenn es mir nicht gut ging.
Diese Liste der Dinge, die Gründe für mich sind, Al-Anon in meinem Leben wirken zu lassen, könnte fortgesetzt werden und wächst mit jedem Meeting, das ich besuche.
Sie ist mittlerweile viel länger als die Reihe von Gründen, die ich einst hatte, um mich in meinen Sorgen und Anklagen einzugraben.
Dafür verspüre ich Dankbarkeit.
Denen, die sich noch nicht getraut haben, wünsche ich ein baldiges erstes Mal.
Thomas, Erwachsenes Kind aus einer alkoholkranken Familie