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Klarheit im Kopf

Ich erinnerte mich kürzlich im Meeting an die Worte eines erfahrenen Mitglieds unserer Gemeinschaft: „ Ich habe einige Worte aus meinem bisherigen Wortschatz beerdigen müssen.“
Es ging um die Redewendungen – ja, aber – und – wenn, dann –. Während des Meetings kamen noch andere Wörter oder Redewendungen auf den Tisch, die auf dem Weg der Genesung eher hinderlich sind. In Ruhe darüber nachgedacht und dazu die eigenen Erfahrungen geteilt, war es nur logisch, dass ich mit diesen alten Aussagen der Klarheit und der Umsetzung der Programmempfehlungen im Wege stehe.

Wie oft habe ich im Bett gebetet: Wenn Du (mein damaliges Verständnis einer Höheren Macht) ihn vom Trinken abbringst, dann wird das Leben für uns wieder lebenswert.
Es hat sich nichts getan. Heute weiß ich, ich wollte mich nicht bewegen, trotz aller Schwierigkeiten und Schmerzen. Ich wartete auf ein Wunder, von wo auch immer. Es traf nicht ein. Erst als ich bereit war, diese Forderung loszulassen und selbst aktiv wurde, konnte ich in der Realität ankommen.

Noch klarer ist mir heute die unsinnige Verwendung von wenn, dann als Drohung oder leere Vorhersage. – Wenn Du nicht aufhörst zu trinken, dann gehe ich! –

Diese Drohung habe ich im Meeting auch von anderen Mitgliedern gehört. An Erfolgsmeldungen, durch diese Aussage die Alkoholkrankheit zu bezwingen, kann ich mich nicht erinnern.
Die Einwürfe von außen, dass ich doch eine Wahl hätte, mit dem Alkoholiker im Chaos zu leben oder nicht, wurden von mir sehr ausführlich mit – ja, aber – Sätzen beantwortet.

Ja, aber wir haben doch ein Kind, dass beide Eltern braucht.

Ja, aber er hat so einen anstrengenden Beruf.

Ja, aber wenn wir erst einmal die neue Wohnung haben.

Viele werden diese gut begründeten Aussagen kennen. Wie im ersten Fall, sollte irgendetwas von außen passieren, dass das Leben zum Besseren wendet.
Zur Klarheit gehört auch, dass ich gelernt habe, bei meinen Beiträgen in der Ich-Form zu sprechen. Man müsste ja mal den Vierten Schritt richtig mit einem Sponsor durcharbeiten. Ja, nur wer ist man und warum in einer so unverbindlichen Möglichkeitsform?
Ich möchte den Vierten Schritt mit einem Sponsor durcharbeiten. Wer ist dazu bereit, mich zu unterstützen? Hört sich viel besser an und macht erkennbar, dass er/sie bereit ist, das Programm für sich zu entdecken.

Die Liste der Wörter, die uns daran hindern, im Hier und Jetzt für uns selbst die Verantwortung zu übernehmen, kann beliebig fortgesetzt werden. Selbst nach langer Zugehörigkeit komme ich häufig an Punkte, wo für mich schädliche Redewendungen schneller zur Verfügung stehen, als gesunde Aussagen. Wir haben einen sehr hilfreichen Slogan – Denke –, der mich daran erinnern soll, dass ich erst das Gehirn einschalte, bevor ich großartige Reden von mir gebe.

Manches Gespräch unter diesem Dach kann wesentlich kürzer und gesünder geführt werden. Wie bei allen anderen Empfehlungen von Al-Anon gilt jedoch auch hier: Ich muss den Anfang machen!
Die Erfahrung zeigt mir, es lohnt sich.

In Dankbarkeit
Renate

Ein Kommentar

  1. Heike schrieb:

    Danke für diese Zeilen! Wie gut kenne ich diese Wörter…und wie heilsam wirkt es, wenn ich von MIR und MEINEN Möglichkeiten spreche. Oder: Wenn ich etwas tue, tut sich was für mich 🙂

    Montag, 13. Dezember 2021 um 13 | Permalink
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