Ich weiß, was für die Anderen gut ist

In meiner Zeit vor
Al-Anon habe ich immer gewusst, was andere tun und lassen müssen, damit es ihnen gut geht. Ich war der Kummerkasten oder vielleicht sogar der Mülleimer für viele Seelennöte. Nur meine eigenen Probleme hatte ich nicht auf dem Schirm. War ja auch viel einfacher, die Mitmenschen zu beraten, zu trösten, ihnen die Verantwortung abzunehmen, als mich auf mich zu konzentrieren.
Heute nach vielen Jahren in
Al-Anon hat sich das geändert. Ich habe gründlich bei mir aufgeräumt und bekomme die Frage: Wem gehört das Problem, sehr schnell beantwortet. Nur ist es mit der
Familienkrankheit Alkoholismus ähnlich wie mit dem Alkoholismus selbst. Diese Krankheit kommt nur zum Stillstand, sie ist nicht heilbar. Jedenfalls nicht bei mir.
Heute hat mich ein Ereignis wieder daran erinnert. Wir haben Handwerker im Haus, die mit ihren Gerätschaften sehr viel Lärm machen. Bis hin zum Bohrhammer, der die Betondecken bearbeitet. In meinem Großwissen, was gut für andere ist, musste ich auch unseren Kater retten. Er hat bei Bedrohung, egal ob fremde Leute oder Lärm, seinen Platz im Keller unter der Treppe. Wir haben ihm den Fluchtpunkt eingerichtet, da er sich schon immer dorthin zurückgezogen hat. Was musste ich heute machen? Ich habe den armen Kerl aus seiner Ecke gepflückt, ihn ins oberste Stockwerk getragen, ihn in mein Bett verfrachtet und ihm eine Decke übergelegt. Und was musste ich feststellen? Er wollte das gar nicht. Stand auf und lief alle Treppen wieder nach unten und ging in „seine“ Zuflucht. Ich stand da, bekam keine Luft vom Tragen und Treppenlaufen und musste lachen.
Wie früher, dachte ich: Ich tröste und rette den Alkoholiker. Er liegt neben mir im Bett und schnarcht und ich fühle mich mies und kann nicht schlafen. Danke lieber Kater, das habe ich wohl mal wieder gebraucht.
Eine Angehörige
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Ein Kommentar
Danke für diese wunderbaren Zufluchts-Zeilen und das Erinnern daran, dass die Lieben um mich herum – Menschen und auch Katzen – durchaus für sich selbst sorgen können und es meine tägliche Aufgabe ist, es ihnen auch zuzugestehen… mich nicht ungefragt einzumischen und zu realisieren, dass ich ausreichend beschäftigt bin, wenn ich mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmere.