
Einfach? …und ich dachte natürlich sofort, da fehlt das mir vertraute „muss“, das gewohnte Komplizierte und Zwanghafte…klar, in meiner Lebensgeschichte gab es nur dieses Muster. In meiner Kindheit, mit einem Vater, der regelmäßig Alkohol konsumierte, und einer Mutter, die versuchte, 24 Stunden perfekt zu funktionieren gab es nur diesen „Müssen-Modus“. Ohne Atempause.
Nach einer Verschnaufpause zu Beginn meines Studiums und dem Versuch, alleine zu leben, wiederholte ich unbewusst genau diese Muster. Ich hatte nicht gelernt, mich selbst zu lieben, zu spüren und Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Meine einzige Existenzberechtigung schien das Sorgen und Kümmern um andere zu sein. Somit heiratete ich einen attraktiven, kreativen Mann – wissend, dass er gerne und häufig trank. Wir bekamen zwei wundervolle Kinder und ich funktionierte täglich 24 Stunden lang. Das kannte und konnte ich gut. Das Karussell der Dramen drehte sich bereits und wurde schneller. Wir zogen häufig um, der Alkoholkonsum meines Mannes steigerte sich, der Schuldenberg wuchs, wir stritten häufig. Trotzdem schafften wir uns noch Hund und Katze an, das ist ja wichtig für die Kinder. Viele Jahre lang stand ich wie eine Maschine auf, blieb mechanisch in Bewegung, ignorierte jede Wand und spürte nicht einmal, wie ich immer wieder dagegen rannte. Die Kinder und ich hatten häufig Infekte und unser Hausarzt schickte uns zur Mutter-Kind-Kur. Erst dort dämmerte mir ein wenig, dass ich anfangen musste, mich um mich selbst zu kümmern. Mir wurde eine Therapie empfohlen, die mir auch etwas half; trotzdem ging es mir immer schlechter. Ich wurde depressiv und meine Magersucht war nicht mehr zu ignorieren. Mein Mann war zu keiner Änderung oder Paartherapie bereit. Nach der Trennung ging es mir immer schlechter, auch beruflich war ich ausgebrannt und brauchte doch noch zwei Jahre, bis ich als letzten Ausweg dem Rat einer Freundin folgte, und mein erstes Al-Anon Meeting besuchte. Ich wusste nicht mehr weiter und schaden kann es ja nicht, einmal hinzugehen, dachte ich…Diesen Ort, die Menschen, das Programm gefunden zu haben erscheint mir heute immer noch wie ein Wunder. Ich kann mir ein Leben ohne Al-Anon wirklich nicht mehr vorstellen. Hier lerne ich, gut für mich zu sorgen, zu üben, meine Gefühle wahrzunehmen, Verantwortung für mich und mein Leben zu übernehmen, meine inzwischen erwachsenen Kinder immer wieder loszulassen und den Kontakt mit Gott, wie ich ihn verstehe zu vertiefen und vor allem zu vertrauen.
Mir gelingt es jetzt viel besser am Leben mit all` seinen Herausforderungen dranzubleiben, neugierig aufzustehen, weich und liebevoll mit mir in Ruhe und Bewegung zu sein und Wände als Wachstumschance zu sehen, die Richtung zu wechseln.
In tiefer Dankbarkeit für unsere Al-Anon Gemeinschaft und für die Gründerinnen und Gründer mit ihrem Mut, ihrer Zuversicht und ihrem Vertrauen.
Anni, ich gehöre zu Al-Anon