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Ich- an der Seite meines Alkoholikers

Foto von einem ZaunIch konnte sein Trinken nicht ertragen. Er war nie bösartig oder aggressiv, aber soff sich einfach weg und schlief dann ein. Ich mochte das nicht, mochte seine Alkoholfahne nicht. Mochte ihn auch nicht mehr, wenn er in diesem Zustand war.
Immer wieder überlegte ich, ob ich ihn verlassen soll. Und sagte ihm immer wieder, dass ich seine Trinkerei nicht aushalte und ihn verlassen würde, wenn er nicht aufhörte.

In meiner Verzweiflung las ich schlaue Bücher über Alkoholismus und Angehörigenverhalten. Lernte u.a., dass man dem Alkoholiker gegenüber keine leeren Drohungen aussprechen solle, sondern nur das sagen, was man wirklich meint und auch wirklich zu tun bereit ist.
Da sagte ich nur noch selten, dass ich es nicht aushalte mit ihm als Trinker. Aber immer noch manchmal.

Dann kam ich zu Al-Anon. Lernte endlich, auf mich zu achten und nicht nur auf ihn. Ich überlegte immer noch, ob ich meinen Mann verlassen soll. Nutzte aber sehr bald den für mich zu der Zeit so wichtigen Slogan „Nur für heute“, um von Tag zu Tag neu zu entscheiden.  Es war lange Zeit kein Tag dabei, an dem meine Bereitschaft, ihn zu verlassen, groß genug gewesen wäre, sie in die Tat umzusetzen.

Dann war es aber doch soweit. Mein Mann hatte eine exzessive Trinkphase, und ich war mir 100%ig sicher, dass ich mir diesen Prozess nicht weiter aus der Nähe anschauen konnte und wollte. Das sagte ich ihm auch so, teilte ihm mit, dass ich es nicht mitansehen könne, wie er sich zugrunde richtet. Zu meinem eigenen Schutz müsse ich ihn deshalb verlassen, wenn er so weitermache.

Mir ist bis heute nicht klar, wieso mein Mann verstand, dass ich es ernst meinte. Hatte ich andere Worte gewählt als vorher? Oder hat er nur gespürt, wie ernst es mir diesmal war?
In jedem Fall begriff er, dass er sich zwischen der Flasche und mir entscheiden musste (so erzählte er mir später). Er nahm den Kampf gegen seine Alkoholkrankheit auf. Es war schwer und von etlichen Rückfällen begleitet, aber weil ich sah, wie sehr er sich diesmal bemühte, konnte ich bei ihm bleiben.

Nun ist mein Mann seit 2 Jahren und 4 Monaten trocken und wieder der zuverlässige und einfühlsame Mensch, der er mal war.
Wir hatten uns allerdings in seiner nassen Zeit weit voneinander entfernt. Diese Entfernung ist noch nicht ganz abgebaut, aber gerade jetzt, wo wir durch Corona aufeinander angewiesen sind, wachsen wir wieder mehr zusammen.
Es bleibt ein Prozess.
Ulla

Ein Kommentar

  1. Susanne schrieb:

    Hallo, auf der Suche nach Informationen über die Co-Abhängigkeit bin ich über diesen Eintrag gestolpert und die beiden ersten Absätze könnten 1:1 von mir sein. Ich bin erst am Beginn der Erkenntnis, dass nur mein Partner sich helfen kann und ich mich um mich selbst kümmern muss…ich hoffe ich finde für mich den richtigen Weg und auch die Kraft für mich richtig zu handeln. Dein Eintrag macht mir etwas Hoffnung. Viele Grüße und weiterhin alles Gute!:-)

    Dienstag, 9. Juni 2020 um 13 | Permalink
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