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Frühlingsanfang

Bruecke_2Zum Frühlingsanfang fragt ein guter AA-Freund, den ich sehr schätze:
„Warum verlässt eine Al-Anon-Angehörige ihren trinkenden Partner nicht? Das wäre doch meistens das Ende allen Übels und würde schneller zur Genesung der Alkoholkrankheit führen. Was kann ich meiner Bekannten sagen, die ein großes Problem mit ihrem Partner hat?“

Daraufhin schrieb ich ihm Folgendes in einem Brief, den ich hier bloggen möchte:

Lieber AA-Freund, danke für deine E-Mail, zu der ich jetzt erst komme um darauf zu antworten.

Das Al-Anon Programm wurde ja, wie du weißt durch Lois, der Angehörigen und Ehefrau von Bill, ins Leben gerufen und zwar nicht, weil sie glaubte krank zu sein.

Das ist etwas komplizierter. Sie wurde einsam. Sie hat es gegründet, weil sie selber in Bills Leben nicht mehr die herausragende Rolle spielte, wie sie es glaubte zu tun, als er noch trank.

Und sie konnte das auch nicht mehr als trockenlegende Angehörige tun, da er es nun bei anderen Menschen mit einer anderen Methode probierte.

Sie konnte gar nichts tun. Sie war machtlos.

Ich als Al-Anon, als Angehörige aus alkoholkranker Familie, glaubte zunächst, ich wäre die „Gute“, Gesunde und meine  angehörigen Trinker oder Trinkerinnen seien die Bösen und später glaubte ich,  sie wären krank und ich könnte nichts anders dagegen tun als bei ihnen zu bleiben, weil jemand der krank ist, den lässt man doch nicht einfach allein? Deshalb blieb ich weiter und weiter bei ihnen.

Erst viel später durch viele Gruppenbesuche konnte ich das alles stehen lassen und dabei ging ich zum nächsten Schritt über, nämlich dass ich sehen konnte, wie krank ich selbst war und dann erst konnte ich auch genesen. Mein Geist war krank, manchmal auch mein Körper und ich musste mich deshalb spirituell stärken und das hat mit dem körperlichem Entzug nicht so sehr viel zu tun.

Es muss keine Chemie raus aus meinem Körper, sondern die eigene Vergiftung durch meinen inneren Frust und Ärger durch Verletzungen und Enttäuschungen, die muss erstmals der Lebensfreude weichen, die ich neu entdecken konnte. Das war das Schwierigste für mich als Al-Anon, dass da etwas Neues auf mich wartete, ohne Manipulation ohne Provokation ohne Angstmacherei.

Ich war so ärgerlich über meinen trinkenden Angehörigen, dass mich das Gift der Galle zerfraß und ich kann getrost behaupten, als ich meine eigene Bitterkeit verlassen habe, war ich auf dem Wege zu genesen.

Dass du das schlecht nachvollziehen kannst, glaube ich sofort. Da kann ich vermutlich viele Erklärungsversuche starten und es wird mir dennoch misslingen.

Dieses Bemühen, immer wieder helfen zu wollen und die Probleme der anderen nicht loslassen zu können ist die Krankheit bei mir als Angehörige, die manchmal auch bei mir bis zur Besessenheit ging.

Als ich das endlich tun konnte, loslassen und anderen überlassen oder der höheren Macht zu überlassen, fühlte ich mich ernüchtert und als ich die Schritte und das Teilen von Erfahrung, Kraft und Hoffnung ehrlich durchziehen konnte, sah ich auch bei mir Fortschritte zur Genesung.

Genau so lange dauerte das damals bei mir wie bei meinem Alkoholiker Rückfälle auftraten.

Die Hoffnung spielte dabei eine eher leidensverlängernde Rolle für mich, denn wenn ich nüchtern werde, sehe ich, dass „meine“ Trinker nicht meinetwegen aufgehört haben zu trinken, sondern weil sie es so wollten.

Für mich ein besseres Leben zu erhoffen ohne diejenigen, die ich umsorge, ist meine große Aufgabe. Etwa zu lernen, dass ich einmal etwas für mich tun kann, das ist die schwierigste Aufgabe.

Ich sag ja immer, dass ich in die innere Immigration gehe, aber dann bin ich schlecht drauf. Ich will eigentlich sagen, ich möchte das Leben lieben und es genießen, wie ich es mir vorstelle und dabei mich glücklich fühlen, ohne schlechtes Gewissen.

Lois hat Al-Anon gegründet, aber sich dabei streng am PROGRAMM Bills´ orientiert. Sie hat es übersetzt und angepasst, damit ihre langen Stunden über viele Tage und Wochen, an denen ihr Mann nicht mehr mit ihr zusammen war, und für andere da war, ausgefüllt war und sie anderen Angehörigen damit helfen konnte, dies auch zu tun.

Sie hat ihr „Helfersyndrom“ sozusagen umgeleitet und den Blick weggenommen von dem Trinkerproblem. Das hat sicher Trost gegeben, wenn wieder ein/e Angehörige/r einen eigenen Weg eingeschlagen hat oder der trinkende Partner trocken geworden ist und beide noch zusammen sind.

Deiner Freundin kannst du sagen, dass es funktionierende Al-Anon Gruppen (Al-Anon steht für Alcoholics Anonymous) gibt und dass sie ihr Problem nur lösen kann, in dem sie den Mut aufbringt etwas zu verändern, indem sie zur Gruppe geht und die Literatur liest.

Auch sie kann wie ich den ersten Schritt machen und nicht darauf warten bis ihr Mann etwas unternimmt.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Das Bild einer Gruppensitzung muss sie sich schon selber anschauen. Mut tut gut! Mut zur Veränderung!

Lieber AA-Freund, leider ging es nicht kürzer. Ich hoffe, meine Zeilen beantworten deine Fragen und helfen dir meine Haltung zu verstehen !

Ich wünsche dir noch einen guten Abend – es ist spät geworden.

Gute 24 h und bis bald
Deine Al-Anon Freundin

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