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Den Blick in die richtige Richtung wenden

Foto Baumallee mit GraswegIch war selbstmordgefährdet als ich das erste Mal in einem Al-Anon Meeting landete. Mein „alles oder nichts Denken“ führte zu dieser einzigen Antwort auf den Schmerz, den ich erlitt. Ich sah keinen anderen Ausweg. Oft sagte ich seitdem, dass ich nicht wirklich sterben wollte, ich wünschte mir einfach voller Verzweiflung, dass der Schmerz aufhören würde.

Langsam schritt ich im Al-Anon Programm vorwärts, besuchte Meetings und fand viele Slogans, die mir halfen. Doch „Fortschritt statt Perfektion“ war wie eine Rettungsweste. Sie half mir zu schwimmen, bis ich lernte, meinen Kopf selbst über den emotionalen Wassern zu halten, in denen ich zu ertrinken drohte.
In meiner Erinnerung war es das erste Mal, dass ich eine Alternative zu den ständigen Schuldgefühlen und Selbstzweifeln hatte, weil ich nicht perfekt war und Fehler machte. Indem ich im Programm wachsen konnte, erkannte ich, dass ich mir den meisten Druck selbst machte. Die Menschen, die mich dieses Ziel der Perfektion lehrten, leben nicht mehr. Ich war die Einzige, die diesen alten Tonbändern lauschte und sich unrealistische Forderungen aufdrückte.
In Al-Anon lernte ich, dass ich mich ändern kann, doch es erforderte Mut.

Heute habe ich eine andere Sichtweise. Ich akzeptiere, dass ich menschlich bin (meistens zumindest), was bedeutet, dass ich einfach unperfekt bin. Wie es in unserer Literatur steht, kann ich es erreichen, perfekt menschlich zu sein, oder mit anderen Worten: perfekt unperfekt zu sein. Aus unserer Literatur habe ich gelernt, dass es Tage gibt, an denen ich überhaupt keinen Fortschritt mache – oder eher keinen, den ich sehe. Ich habe gelernt, auch wenn ich eben keinen Fortschritt mache, kann ich immer noch versuchen, den Blick in die richtige Richtung zu wenden. Das ist genug!

Von Gail H., Iowa

Übersetzung und Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von The Forum, Ausgabe Februar 2023, Al-Anon Family Group Headquarters Inc. , Virginia Beach, VA

 

Ein Kommentar

  1. Heike schrieb:

    Auch ich kenne diesen Schmerz … wie wohltuend, diese Worte zu lesen … auch nach einer Weile im Programm versuche ich noch gelegentlich „perfekt“ zu sein, bin streng zu mir selbst und schon kriecht auch die alte Bekannte „Selbstabwertung“ näher. Heute kann ich sie schon ganz gut weiterschicken und nicht in die Abwärtsspirale einsteigen. Sondern mich liebevoll menschlich betrachten und z.B. durch das Lesen hier meinen Blick wieder in Richtung meiner Genesung lenken.

    Dienstag, 30. Mai 2023 um 16 | Permalink
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