
Sehr langsam verstand ich, dass es kein böser Wille oder noch schlimmer, Vorsatz war, was mich bei diesen gebrochenen Versprechen auf die Palme brachte. Es war das Ergebnis der Alkoholkrankheit, die ich weder verursacht hatte, noch kontrollieren konnte und schon gar nicht zu heilen vermochte.
Heute habe ich durch die Erklärungen in unseren Büchern verstanden, worum es unseren Vorgängern ging. Kein Verständnis für Lügen, Vertuschungen oder unangemessenes Verhalten war da gemeint. Der Mensch ist krank, ja, das stimmt. Er ist jedoch nicht berechtigt, auf dieser Basis dem Gegenüber zu schaden. Ich lebe nun schon seit vielen Jahren in einer Partnerschaft mit einem trockenen Alkoholiker, der selbst auch aus einer alkoholkranken Familie kommt. Mit ihm durfte ich lernen, was mit diesem Verständnis gemeint ist. Seine alten Verhaltensweisen, seine alten Monster, die verqueren moralischen Leitsätze und Verbote werden uns ein ganzes Leben begleiten. Auch er ist genau wie ich auf dem Weg der Genesung und wird die alten Fesseln immer wieder spüren.
Uns hilft es, über die aufkommenden Schatten der Vergangenheit zu sprechen. Uns gegenseitig Mut zu machen. Auf die vielen guten Jahre zurückzuschauen. Und….. uns unvoreingenommen in die Arme zu nehmen und gegenseitig zu trösten. Welch ein Geschenk, dem anderen Verständnis entgegen zu bringen und ihn für seinen weiteren Weg zu ermutigen.
Renate, eine Angehörige
2 Kommentare
Danke für diesen Text! Nur indem ich mich selbst besser kennenlerne, wahrnehme, was ich brauche und was nicht, bin ich auch in Lage gesunde Grenzen zu setzen, mich meinem Gegenüber auch mit einem „Nein/Stopp“ zuzumuten und ihm das Gleiche zuzugestehen. Unsere/die „Schatten der Vergangenheit“ werden sich immer mal wieder melden, ja, doch heute erkenne ich sie besser als solche und kann mich entscheiden, ihnen keine Macht mehr zu geben…aufschreiben, ein Al-Anon Mitglied anrufen, in ein Meeting gehen, in unserer Literatur lesen…heute fühle ich mich nicht mehr ausgeliefert, habe Werkzeuge, dank Al-Anon!
Dieser Text hat mich ermutigt, den nächsten Termin in einer Gruppe zu besuchen. Genau das ist Ziel, welches ich erreichen will. Verständnis erbringen und ermutigen weiter zu kämpfen. Ich glaube, dass mir das als betroffene Mutter schon sehr gut gelingt. Zumindest sagen das meine Mitmenschen. Trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, die falschen Worte zu wählen und das möchte ich aufgeben.