Mein Name ist Hubert und es gibt Dinge, die mein Leben bereichern und durch die Begegnung mit Al-Anon zu neuem Leben erwacht sind. Dazu teile ich Gedanken zu folgenden Begriffen mit Euch: Offenheit, Kreativität, Entscheidungswille, Demut, Entwicklung, Freude.
Offenheit
Offenheit im Umgang mit Menschen bedeutet für mich, es gelingt mir, meinem Gesprächspartner aufmerksam zuzuhören. Nicht nur seinen Worten und Gedanken unvoreingenommen zu folgen, sondern in ihm den ganzen Menschen – seine Ausstrahlung, seine Gebärden, seinen Ausdruck – wahrzunehmen und auf ihn einzugehen. Widerspruch vorerst beiseite zu legen und abzuwarten, bis mein Gegenüber fertig ist, seine Gedanken auszusprechen. In unseren Meetings bei Al-Anon finde und genieße ich oft dieses vorbehaltlose Zuhören. Je leichter mir diese Art der Offenheit fällt, desto mehr empfinde ich sie dankbar als ein Geschenk.
Offen zu sein für die Natur und ihre Geheimnisse des Mikro- und Makrokosmos ist ein weiteres bedeutendes Geschenk. Ich nehme wahr, ein Teil eines „Großen Ganzen“ zu sein; eingebunden zu sein in einen unermesslich überwältigenden kosmischen Naturzusammenhang. Diese Wahrnehmung ist für mich gleichbedeutend mit der „Höheren Macht“. Dazu gehören alle Dinge, denen ich täglich begegne und die mich spüren lassen: Ich bin ein Teil der Schöpfung – in welcher Form auch immer. Selbst nach meinem Tode werde ich dieser Schöpfung angehören, nur in anderer Form.
Offen zu sein für das Staunen, bedeutet für mich eine Gnade. Ich betrachte es als eines der schönsten Geschenke, dass meine Sinne für das Wunderbare und Verborgene zugänglich geblieben sind. Ich denke dabei an einen Blick in den Sternenhimmel in einer klaren Nacht, der meine Phantasie auf eine weite Reise schickt. Oder an die unvorstellbar komplexen Abläufe in den Zellen und Schaltungen unseres Gehirnes, in denen ein Feuerwerk elektrischer Reize unser Handeln und Denken steuert.
Kreativität
Kreativ sein – das bedeutet für mich, ich darf aus mir heraus etwas schaffen, was in dieser Form noch nicht da gewesen ist. Eigentlich ist es ein kleiner Schöpfungsakt. Ich fühle mich gefordert, mit den mir geliehenen „Werkzeugen“ etwas gestalten zu dürfen. Ich kann ein Werkstück, ein Foto, einen Gedanken oder ein Geschenk nach meinen Vorstellungen gestalten; kann mich auf ein Meeting oder auf ein Gespräch vorbereiten. Wenn mir etwas gelingt, darf ich mich darüber freuen. Treten Schwierigkeiten auf, werden meine Geduld und meine Ausdauer gefordert. Selbst wenn ich manchmal nur kleine Schritte machen kann, bin ich dankbar, wenn ich spüre, auf dem richtigen Wege zu sein. Aber es gehört eben auch dazu, dass ich meine Grenzen erfahre und es trotzdem für möglich halte, dass diese sich durch mein Bemühen verändern.
Entscheidungswille
Ich darf selbst einen Weg wählen – nicht immer, doch sehr oft. Ich will mich z.B. entscheiden, Dinge, die mir negativ erscheinen, von der positiven Seite zu sehen. Denn längst nicht alles, was mir heute schwer oder verletzend erscheint, hinterlässt bei mir nur Wunden oder hässliche Narben, sondern auch wertvolle Erfahrungen. Vieles ist oft sogar für meine Entwicklung bedeutend. Sehr treffend hat das einmal Eugen Roth formuliert: „Ein Mensch schaut in der Zeit zurück und sieht, sein Unglück war sein Glück“. Das Gefühl, fremdbestimmt zu sein, habe ich insbesondere während meiner Zeit als Co-Abhängiger kennen gelernt, weil ich ein Opfer meines Fehlverhaltens wurde. Inzwischen bin ich durch Al-Anon auf dem Wege das Instrumentarium zu erlernen, das mein Denken und Handeln zu den richtigen Entscheidungen führt.
Wichtig ist auch, dass ich mich entscheiden darf, eine eigene Meinung zu haben und diese zu vertreten. Aber auch Respekt zu haben, vor der Meinung des Anderen. Denn mir ist klar, dass ich jeden Tag etwas dazu lernen kann.
Ist der von mir eingeschlagene Weg versperrt, darf ich mit der Hilfe meiner Höheren Macht nach Auswegen suchen. Oder ich muss lernen, hinzunehmen, was nicht zu ändern ist.
Demut
Demut hat für mich nichts mit Unterwürfigkeit oder Duckmäusertum zu tun sondern mit einem realistischen „Einordnen“ in ein Ganzes. Als Mensch bin ich einmalig mit all meinen Fähigkeiten und meinen Fehlern. Doch bei aller Dankbarkeit für meine Sinne und meine Gaben, will ich nicht meine Grenzen vergessen: Mir ist bewusst, dass ich nur ein winziger Teil im kosmischen Geschehen bin. Weniger noch als ein Wassertropfen im Ozean. Ein „Nichts“ bin ich aber trotzdem nicht, denn ohne mich und die anderen Wassertropfen gäbe es keinen Ozean. Ebenso bin ich mit meinem Verstand ein Bruchteil eines großen, alles umfassenden Geistes. Dieses Bewusstsein erweckt in mir „Dankbarkeit pur“.
Entwicklung
Würde mich jemand nach dem Sinn des Lebens fragen, würde ich ihm in voller Überzeugung sagen: Die Aufgabe meines Lebens ist – zu reifen. Das Leben stellt mir Aufgaben – und zwar dann, wenn sie für mich an der Reihe sind. Ebenso, wie ich von einer Pflanze, die gerade erblüht ist, nicht erwarten kann, dass sie schon reife Früchte trägt, muss ich meinen Aufgaben mit Geduld entgegen wachsen.
Ich fühle mich beschenkt durch das Vertrauen darauf, dass mir nichts auferlegt wird, wofür ich nicht auch die nötige Kraft bekomme. Auch dafür darf ich dankbar sein.
Freude
Freude ist ansteckend – fast so ansteckend, wie ein herzliches Lachen! Wenn ich es schaffe, meine Freude über die kleinen, oft unscheinbaren Dinge in meinem Leben, an andere weiterzugeben, werde ich selbst reich beschenkt. Freude hält meine Seele, meinen Geist und meinen Körper gesund. Hierzu passt der Satz von Albert Einstein: „Freude am Schauen und Begreifen ist die schönste Gabe der Natur.“
Zum Abschluss noch ein schöner Satz aus dem Buch „Nur einen Tag nach dem anderen in Al-Anon“ vom 12. Januar: „Wenn ich Augen und Herz öffne, um neue Eindrücke zu gewinnen, wird jeder Tag ein Abenteuer sein.“