Zurüruck zum Inhalt

Aus dem Tagebuch einer Angehörigen Teil2

Foto. Park mit FrauenfigurDie letzten Stunden des Jahres 1972 sind angebrochen.

Es war ein sehr aufregendes Jahr und maßlos traurig, denn im April war ich schon einmal mit den Kindern zu meinen Eltern „geflohen“ und hatte die Scheidung eingereicht.

Kurz vor dem Scheidungstermin erfuhr ich, dass er nach einem Selbstmordversuch in die Psychiatrie der Uni-Klinik eingeliefert worden war.

Ich war furchtbar aufgeregt, hatte Mitleid und Schuldgefühle. Also hab ich ihn aus dem Krankenhaus geholt und bin wieder zu ihm zurück. Die Ärzte meinten zwar: „Das war ein erpresserischer Selbstmordversuch“, aber seine Beteuerung, dass er das nicht noch einmal erleben will und sich ändern wird, gaben mir wieder Hoffnung.
Es dauerte drei Monate, er bemühte sich sehr und wir verstanden uns recht gut. Dann ging alles wieder von vorne los: die nächtlichen Anrufe: „Du musst mich holen kommen, ich kann nicht mehr fahren“ oder „Ich kann den Deckel nicht mehr bezahlen“. Und wie oft habe ich dann die Kinder alleine gelassen, um ihn abzuholen, damit er nicht betrunken mit dem Auto fährt und noch schlimmeres passiert, oder auch aus Angst vor Gewalt, wenn ich es nicht tue. Ich muss weg von ihm! Zu meinen Eltern kann ich nicht schon wieder, aber da gibt es ein möbliertes Zimmer, ich für’s erste unterkommen kann.

Nachdem ich 4 Wochen lang mit den Kinder auf diesem Zimmer verbracht habe, ist es mir tatsächlich gelungen, eine Wohnung zu finden: Altbau, 3. Stock, Ofenheizung – aber eben endlich frei ! (?)

Im Oktober wurde die Scheidung ausgesprochen. Das war problemlos, denn ich hatte ihm versprochen, dass er die Kinder und mich jederzeit besuchen kann, wenn er nüchtern ist. So dachte ich, hab ich alles unter Kontrolle. Ich arbeite sechs Stunden am Tag, damit ich am Nachmittag noch Zeit mit den Kindern verbringen kann, wenn sie aus dem Hort kommen.

Es könnte alles sehr schön sein, wenn da nicht die Nachbarn unter uns sich schon bei der Hausverwaltung darüber beschwert hätten, dass die Kinder zu laut sind, und die hat mir gleich mit der Räumungsklage gedroht!
Hab mich schon bei meinem Arbeitgeber um eine Betriebswohnung (mit Heizung) beworben – hoffentlich klappt das bald.

Bedürfnisse! Das einzige Bedürfnis, dass ich hatte, war, mich einzuordnen, Frieden zu halten, mit anderen Menschen zurechtzukommen und Teil der menschlichen Gesellschaft zu sein.

Hatte man mir doch schon sehr früh beigebracht: „Kleine Kinder haben nichts zu wollen, sie haben brav und bescheiden zu sein.“ Also packte ich nach und nach alle meine Gefühle und Bedürfnisse in eine Truhe und machte den Deckel zu.
Die Folge: Ich habe nicht gelebt, sondern mich leben lassen.

Fortsetzung folgt

eine Al-Anon

Wir benutzen Cookies, um die Benutzungsfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.