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Denke ich an Weihnachten in der Nacht …

WeihnachtenHallo ich bin Bozena,

ich bin in einer alkoholkranken Familie aufgewachsen.

Weihnachten ist ein riesiges Thema für mich. Denke ich an Weihnachten, so habe ich so viele Erinnerungen, so viele Erwartungen und Vorstellungen.

Ich bin jetzt keine 20 mehr und durfte schon einige Weihnachten erleben.

Meine Weihnachten als Kind, meine Weihnachten vor meiner Zeit in Al-Anon und
meine Weihnachten seit ich bei Al-Anon dabei bin.

Ich habe mich schon oft auf Weihnachten gefreut und ich habe mich schon oft vor Weihnachten gefürchtet. Manchmal habe ich mich auch darauf gefreut und gleichzeitig davor gefürchtet.


Ich wurde geprägt, was Weihnachten ausmacht, als ich noch ein Kind war. Das ganz besondere Fest des Jahres.

In unseren sonst eher leeren Kühlschrank zog Leben ein. Tage vorher wurde begonnen mit putzen, kochen und backen. Es war oft sehr stressig. Es gab so viel zu tun. Alles sollte blitzblank und perfekt sein.

War es das Jahr über oft grau, so waren in meiner Kindheit die Weihnachten schillernd. Ich durfte vieles, was sonst nicht möglich war.
Doch habe ich diesen Putz- und Koch-Wahn gehasst. Ich wollte lieber spielen.

Ich hatte eine Schulkameradin, die am 23.12. mit ihren Eltern abends in ein Restaurant essen ging. Ich habe mich in meiner Kindheit darüber gewundert, wie so etwas möglich war. Ein besinnlicher 23.12. mit Zeit zum Essen gehen. Unvorstellbar in meiner damaligen Welt.

Ja – Weihnachten in Familie. Ich habe mich immer nach Weihnachten in Familie gesehnt. Als Kind hatte ich kein Weihnachten in Familie.
Meine Eltern waren geschieden. Meinen Vater sah ich Weihnachten einige Stunden bei meinen Großeltern. Er war oft betrunken. Und auch bei meiner Mutter gehörten Wein und Cognac zu Weihnachten wie der Christbaum.

Als ich dann bei meiner Mutter auszog, wollte ich mein perfektes Weihnachten mit Familie.

Mein Exmann hatte eine große Familie. Da hatte ich sie dann, meine perfekten Weihnachten in Familie. Doch wohl gefühlt habe ich mich trotzdem nicht. Warum? Irgendetwas stimmte nicht. Ich stand in der Küche und habe mit der Schwester meines Exmannes gekocht und abgewaschen. Die Gespräche der Familie konnte ich nur schwer aushalten.

Nach der Trennung von meinem Exmann erlebte ich sie dann erstmals. Diese Weihnachten vor denen ich wohl immer so viel Angst gehabt habe, ohne dass es mir wirklich bewusst war.

Horrorweihnachten. Weihnachten allein. Ich war allein. Ohne Familie. Ohne Partner. Ohne Kinder.

Dabei wollte ich doch immer eine Familie. Diese „Rama“ Familie aus der Werbung. Statt dessen Drama ohne Familie. In meiner Vorstellung saßen alle mit ihren Lieben unterm Christbaum – nur ich war allein.

Mit 27 dachte ich, ich würde nie wieder einen Partner finden. Wenn ich heute daran zurück denke, sehe ich, wie eng meine tiefsten Lebenswünsche und Träume mit Weihnachten verknüpft waren.

Schnell band ich mich an den nächsten Partner. Ich sah das Trinken. Ich dachte, ich würde es schon irgendwie hinbekommen.
Zu groß war meine SehnSUCHT nach Familie. Zu groß meine Angst vorm Alleinsein. Und ich steuerte auf den Tiefpunkt meines Lebens zu.

Die nächste Trennung kam nach körperlicher Gewalt im alkoholisierten Zustand meines Freundes. Und da waren sie wieder die gefürchteten Weihnachten. Wieder war ich allein.

Ich kam ein halbes Jahr später zu Al-Anon. Ich war am Ende. Emotional am Ende. Und seitdem haben sich meine Weihnachten verändert.

Ich lernte über meine Einsamkeit im Meeting zu sprechen. Ich sprach über meine Angst vorm Alleinsein zu Weihnachten.

  • Ich lernte, dass es Meetings zu Weihnachten gibt. Ich bin hingegangen zu diesen Weihnachtsmeetings und lernte, ich bin nicht allein.
  • Ich verbrachte Weihnachten mit einer Al Anon Freundin und lernte, ich bin nicht allein.
  • Ich verbrachte Weihnachten in einem Yogazentrum und lernte, ich bin nicht allein.

Es waren andere Weihnachten als ich sie mir ersehnt hatte. Doch ich war nicht mehr allein.

Es hat mich Überwindung gekostet diese Schritte zu gehen. Es grauste mich immer, wenn Weihnachten nahte. Und ich begann, einige Zeit vor Weihnachten, mich nach Alternativen umzusehen. Gut für mich zu sorgen, indem ich Weihnachten mit anderen Menschen verbrachte.

Und noch etwas erfuhr ich in den Al Anon Meetings. Auch andere Menschen haben Schwierigkeiten mit Weihnachten. Alkohol, aufgestaute Emotionen und Erwartungen. In vielen Familien gibt es Stress zu Weihnachten. Die „Rama“ Familie gibt es wohl doch nur im Fernsehen.

Meine Erwartungen an Weihnachten verändern sich auch langsam. Es ist leichter für mich, wenn ich Weihnachten mit weniger „Brumborium“ aufbausche und ausstatte. Weniger Tamtam und weniger Enttäuschungen und Stress. Ein Tag von 365 Tagen im Jahr ist Weihnachten – habe ich in Meetings gehört.

Und heute? Es ist Vorweihnachtszeit. Ich fühle mich noch nicht wie Weihnachten. Es gibt keine Weihnachtsdekoration in unserer Wohnung. Dazu habe ich gerade weder die Zeit noch die Nerven.

Ich bin jetzt 43 Jahre. Gerade haben mein Mann und ich unsere beiden kleinen Kinder zu Bett gebracht. Ja, es hat sich so viel verändert. Weihnachten feiern wir dieses Jahr in Indien, vielleicht so die höhere Macht will, in Agra am Taj Mahal.

Ich bin gerade ganz berührt, wenn ich an die Kinder und an meinen Mann denke.

Ich liebe Weihnachtslieder. Vielleicht werde ich nachher noch eines spielen … Für mich allein. Ich genieße heute auch die Zeiten mit mir allein.
Denn Stunden für mich allein sind selten geworden .

Ich wünsche euch gute 24 Stunden
Bozena

5 Kommentare

  1. Rosemarie schrieb:

    Liebe Bozena,
    Deine Geschichte hat mich berührt. Auch mit Familie kann man/frau einsam sein. Ich bin dankbar, dass ich bei Al-Anon gelernt habe gut für mich zu sorgen! Ich wünsche Dir noch viele schöne Weihnachtsfeste mit Zufriedenheit und Frieden!
    g24h
    Rosemarie

    Donnerstag, 25. Dezember 2014 um 18 | Permalink
  2. Sunshine schrieb:

    Danke für das Teilen,

    mir ging es im vergangenem Jahr
    nach der Trennung von meinem Partner ganz genauso.
    Dazu kam, dass meine Kinder inzwischen nicht mehr bei mir leben.

    Ich wollte auch RAMA und ich will es noch immer..
    ich habe Schwierigkeiten mich damit abzufinden.
    Und bete dann immer den Gelassenheitsspruch.
    Ich bin jetzt seit 14 Tagen bei Al Anon,
    ich hoffe dass ich die Sucht nach RAMA irgendwann in den Griff bekomme und nicht wieder in das nächste DRAMA schlittere.

    Danke und gute 24h

    Montag, 16. Februar 2015 um 20 | Permalink
  3. Irmgard schrieb:

    Liebe Bozena,

    Dein Beitrag beschreibt mir sehr anschaulich wie sich unsere Biografien doch ähneln. Familienfeste. Alkoholismus ist eine Familienkrankheit. Danke für Deine Ehrlichkeit und Dein Teilen mit uns… Gelernt habe ich aus Deinen Worten:
    -Nur Ein Tag- von 365! im Jahr ist Weihnachten! Wie wahr. Al- Anon Meetings an ALLEN Tagen im Jahr sind meine Lebensversicherung auf dem WEG zur Genesung,( hin zu meiner Rama Family) Gute 24 Stunden sendet Irmgard, aufgewachsen in alkoholkranker Familie

    Freitag, 27. Februar 2015 um 09 | Permalink
  4. Silke schrieb:

    Danke für den Beitrag und die Erinnerungen. Heute kann ich auf die vielen Weihnachtsfeste zurückblicken, die ich in meinem Leben schon einsam unter vielen Menschen verbracht habe. Ich kann davon berichten und muss nicht mehr darüber jammern, dass es so war, wie es war. Die Empfehlung meiner Sponsorin vor vielen Jahren: „Lass Deine Geschichte, Geschichte werden, dann kann es dir besser gehen!“ Es hat lange gebraucht, aber das Ergebnis ist Frieden und Freude.

    Sonntag, 27. Dezember 2020 um 15 | Permalink
  5. Nicky schrieb:

    Liebe Bozena,

    danke für deinen Beitrag. Er hat mir gezeigt, dass ich nicht in einer hoffnungslosen Situation bin.

    Letztes Weihnachten war das erste Weihnachten, das ich ganz allein verbracht habe. Im Jahr davor überwund ich mich noch einmal „nach Hause“ zu fahren, und versuchte durch härteste Anstrengungen all die emotionalen Belastungen (die ich gerade erst am verstehen bin) zu übersehen, und machte es durch die Anstrengungen einfach nur unangenehmer. Nicht für den Alkoholkranken Elternteil, diese freute sich womöglich noch über mein heldenhaftes Engagement, sondern für mich selbst. Vor allem nachdem ich sah wie resigniert mein Vater in seiner „Co-Abhängigkeit“ war.

    Nun möchte ich Abschied finden von Rollen wie die der des Helden, ich brach unter therapeutischer Begleitung den Kontakt ab und werde langsam hoffnungsvoll, dass es für das kindliche Ich in Mir noch genügend Ressourcen gibt, die das erwachsene Ich durch zukünftiges Teilnehmen an Ai Anon Meetings verinnerlichen kann. Ich bin so dankbar, dass es diese Seite, die AI Anons und nicht zuletzt deinen Beitrag hier gibt, dankeschön liebe Bonzena.

    Sonntag, 24. Januar 2021 um 13 | Permalink
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